Jahreslosung 2022: Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Joh. Ev. 6,37
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freundinnen und Freunde!

Das Losungswort Jesu verheißt Freundlichkeit, Licht und Wärme, Hilfe und Geborgenheit und sollte über jeder Kirchentür stehen. Dennoch haben wir geschlossene Türen in den letzten zwei Jahren oft erlebt, manchmal auch geschlossene Kirchentüren. Gott sei Dank sind die Schutzbestimmungen der Coronapandemie weitgehend aufgehoben und das öffentliche Leben normalisiert sich wieder. Der am 24. Februar von Russland begonnene Krieg in der Ukraine hat zu unsagbarem Leid und einer humanitären Katastrophe geführt. Unser Mitgefühl und unsere Trauer gehören allen, die dort Opfer von Gewalt und Verfolgung geworden sind. Not und Bedrängnis der Verängstigten, Verzweifelten und Leidenden stehen uns vor Augen. Wir stehen in besonderer Verantwortung, Wege zum Frieden zu finden, die die Eskalation und Ausweitung des Krieges zu einem 3. Weltkrieg verhindern. Mit unseren Gebeten, Gedanken und unseren Möglichkeiten, auch in der Ökumene, helfen wir Christen, um Verletzte und Flüchtende aufzunehmen, zu versorgen.
Keiner, der Hilfe braucht, soll abgewiesen werden! Jeder soll erfahren: Niemand wird wegeschickt! Unsere freiheitliche Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die Würde eines jedes Menschen zu schützen ist, unabhängig seiner Nationalität und Religion. Dazu gehört auch, dass Schwächsten die gleichen Chancen zugesichert werden wie dem Stärksten. Leben in Würde heißt zunächst einmal, in Frieden und Sicherheit zu essen und zu trinken zu haben und satt zu werden.
Dann aber auch, Menschen zu begegnen und mit Menschen das Leben zu teilen. Leben heißt Nahrung zu empfangen für Herz und Seele. Liebe erfahren – das ist Leben. In der Bibel erzählt das Johannesevangelium das Leben des Jesus von Nazareth, wie die vielen Menschen, die auf der Suche nach Leben sind, seine Nähe spüren und in der persönlichen Begegnung mit ihm erlebt haben, dass er allen Hunger, alle Sehnsüchte des Lebens stillt. Ich frage mich: Warum reden wir Christinnen und Christen so wenig von unserem Glauben? Dazu eine Geschichte: Ein kleines Mädchen ist mit seiner Familie unterwegs. In der Manteltasche findet sich überraschend ein Bonbon. Doch der Begeisterung weicht schnell die Ernüchterung: Es ist Fastenzeit, eigentlich will sie keine Süßigkeiten es-sen. Was nun? Die Mutter meint: »Frag doch einfach« –und spielt auf die Angewohnheit der Tochter an, mit Gott zu reden, zu beten. Gesagt, getan.
Nach kurzer Stille strahlt das Mädchen wieder. Auf die Rückfrage der Mutter, was Gott gesagt hätte, antwortet sie: »Er nuschelt so, aber ich glaube, es war ›Ja‹« ... und schiebt sich das Bonbon in den Mund! –
Kommt es uns nicht auch manchmal so vor, als ob Gott nuscheln würde? Oder wer kann sagen, dass er genau versteht, was Gott sagt? Es ist nicht immer einfach zu verstehen, was Gott will. Wir sollten es immer wieder neu lernen, von unserem Glauben zu sprechen und auch unsere Zweifel und Fragen offenzulegen. Wir sind ja nicht nur auf Jesus, sondern durch ihn auch aufeinander angewiesen. Das Gespräch miteinander stärkt unseren Glauben und lässt uns die Spuren von Gottes Güte und Barmherzigkeit entdecken. Dass Gott mit uns ist und niemals verlässt, wird an folgender jüdischen Ge-schichte deutlich. Ein Rabbiner erzählt folgendes: „Ein Mann kommt nach seinem Tod in den Himmel, und Gott erlaubt ihm, seinen Lebensweg in der Form von Bildern seiner Fußspuren im Sand der Erde noch einmal zu verfolgen. Bei der weitaus größten Strecke des Weges waren da zwei Paar Fußspuren, die eigenen des Mannes und ein anderes Paar. Zeitweise war das nur ein Paar. Was verwunderte den Mann etwas, und er fragte Gott, wer da neben ihm ging, wenn zwei Paar Fußspuren nebeneinander zu sehen waren. Ja, doch, sagte Gott, ich ging meistens neben dir her, das eine Paar ist also deines, das andere meins. Der Mann sah weiter auf seinen Lebensweg und entdeckte, dass es zwei Paar Fußspuren waren, wenn es ihm gut ging, während es nur ein Paar war in den allerschwersten Stunden, wo die Einsamkeit und die Angst in seinem Leben am größten waren. Darüber wurde er etwas erzürnt, wandte sich Gott zu und fragte ihn ganz natürlich, warum Gott ihn denn in diesen Stunden verlassen hätte, wo das Leben nicht auszuhalten gewesen und er unter den Problemen zusammengebrochen war. Gott sah ihn an und antwortete: Aber ich habe dich doch nie verlassen! In den Perioden in deinem Leben, wo nur ein Paar Fußspuren im Sand zu finden sind, da habe ich dich getragen“.

Ich wünsche uns solches Vertrauen in die unerschöpfliche Kraft Gottes, die Jesus ausgestrahlt hat und grüße Sie /Euch herzlichst mit allen guten Wünschen, vor allem Gesundheit, Frieden, Freude am Leben und Gottes Segen!

Pfarrer Müller

Norbert Müller, Pfr.

„Was Jesus für mich ist?“
„Einer, der für mich ist!“
„Was ich von Jesus halte?“
„Einer, der mich hält!“


Lohhar Zenetti, Theologe