Jahreslosung 2024: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ 1.Korintherbrief 16,14
Liebe Freunde*innen unserer Gemeinde!

Die Jahreslosung ist ein schöner und beliebter Bibelvers, der gerne als Trauspruch ge- nommen wird und ein Brautpaar dazu ermutigt, nicht halbherzig, sondern ohne Wenn und Aber, spürbar und mit ganzem Herzen in Liebe füreinander da zu sein. Da hier im griechischen Text das Wort Agape steht, wird deutlich, dass es dem Apostel Paulus bei dieser Aufforderung aber nicht um Liebesgefühle im emotionalen Sinne geht. In wel- cher Situation hat er diesen Appell an die Christen in Korinth geschrieben?
In der von ihm um 50 n.Chr. gegründeten christlichen Gemeinde in Korinth gibt es Turbulenzen. Menschen aus verschiedenen Kulturen und sozialen Schichten treffen hier zusammen, es kommt zu Spannungen und Konflikten, und manche sind unsicher, was ihnen nach dem christlichen Glauben erlaubt ist und was nicht. Einige Jahre nach der Gemeindegründung sieht sich der Apostel veranlasst, seiner Gemeinde zwei Briefe zu schicken, um ihnen Orientierung zu geben. Seinen ersten Brief schließt er mit Er- mahnungen und Grüßen, und in diesem Schlussteil findet sich unser Vers: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe." Diese Aufforderung des Paulus macht uns nachdenklich. In den Medien ist von Liebe wenig zu hören. Gesetzliche Regelungen und nicht guter Wille und auch nicht gutes Tun sind oft die Richtschnur. Ein liebloser Umgang wird erfahrbar durch Respektlosigkeit, Polarisierungen, Hass, Antisemitismus und Ausgrenzungen von Minderheiten. Es ist enttäuschend, wie wenig etwas aus Liebe geschieht, wie viel mehr geschieht etwas aus Eigeninteresse, Profilierungsgehabe und rücksichtslosen Sachzwängen. Unser Bibelwort ist eine Aufforderung auch an jeden von uns, einmal nachdenklich zu werden. Tue ich alles aus Liebe? Oder was ist mein Antrieb, meine Motivation, wenn ich etwas tue? Wie würde unser Leben, unsere Welt aussehen, wenn diese ganz und gar vom Kraftfeld der Liebe durchdrungen wäre? Martin Luther hat gesagt: „Gott ist wie ein glühender Backofen voller Liebe." Liebe ist Gottes Kraftfeld, aus dem wir leben. Es liegt an uns, ob wir daraus das Brot der Menschenfreundlichkeit backen.
Jesus hat gesagt: „Ich bin das Brot des Lebens und wer zu mir kommt, wird nicht hun- gern!“ Wie Jesus Gottes Liebe in Hingabe gelebt hat und Menschen zum Glauben und zur Liebe Gottes geführt hat, so sollen auch wir barmherzig, hilfsbereit und großzügig handeln, besonders gegenüber allen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen und bedürftig sind. Dank gilt hier allen, die sich für Flüchtende, Behinderte, Schwache und Ausgegrenzte engagieren. Kirche ist immer Kirche für andere! Von Dostojewski stammt das bekannte Wort: „Einen Menschen lieben heißt, ihn so sehen, wie Gott ihn gemeint hat.“
Das heißt: Liebe denkt vom anderen her. Liebe hilft, dass der andere sich verwirklicht. Im sog. Hohelied der Liebe (1. Korinther 13) legt der Apostel den Korinthern die Agape-Liebe ans Herz, denn sie ist langmütig und freundlich und erträgt alles. Und zur Wahrheit der Liebe gehört, dass sie alles durchdringen will. Dies möchte ich verdeutli- chen: Wenn ein gutes Orchester einen großen Konzertsaal mit wunderbarer Musik er- füllt, müssen nicht alle den Saal verlassen, um dem Klang Raum zu geben, sondern im Gegenteil hineingehen, um gemeinsam an der herrlichen Musik teilzuhaben. Wenn Gottes Liebe unser Leben erfüllt, müssen nicht alle anderen Gaben seiner Schöpfung unser Leben verlassen, um der Liebe Raum zu geben, sondern möglichst hineingehen, um von der göttlichen Liebe durchdrungen zu werden.“ Gibt es eine größere Weisheit als die Liebe zu erkennen, die weitergegeben wird und so weiterlebt? Dazu folg. Geschichte Leo Tolstois: „Ein junger wissbegieriger König bat die Weisen seines Landes, alles Wichtige über das Leben aufzuschreiben. Sie machten sich fleißig an die Arbeit und legten nach vierzig Jahren ihre Studien in tausend Bänden vor. Der König war inzwischen sechzig Jahre alt. Er bat die Gelehrten, weil er die tausend Bücher nicht mehr alle lesen könne, das Wichtigste herauszuschreiben. Nach zehn Jahren hat- ten die Weisen ihre Einsichten in das Leben in hundert Bänden zusammengefasst. Der König sagte: Das ist noch zu viel. Mit siebzig Jahren kann ich nicht mehr hundert Bände studieren. Schreibt nur das Allerwichtigste in einem einzigen Buch zusammen. Damit gingen sie zum König. Aber der lag schon im Sterben und wollte nun von den Gelehrten noch das Wichtigste aus ihrer Arbeit erfahren. Sie fassten das Wichtigste in einem Satz zusammen: „Die Menschen leben, leiden und sterben. Und was wichtig ist und über- lebt, ist die Liebe, die empfangen und geschenkt wird.” Ich bin gewiss, dass Gottes Liebe alles durchdringt. Denn aus Liebe hat Gott diese Erde erschaffen, durch Jesus Christus wissen wir, dass die Liebe Gottes die Mauer des Todes überwunden hat und mit dem Heiligen Geist uns den Tröster und starken Beistand gegeben, mit Hoffnung nach vorne zu schauen.
Ich wünsche uns solches Vertrauen in Gottes Allgegenwart und grüße Sie /Euch herz- lichst mit allen guten Wünschen, vor allem Gesundheit, Freude am Leben und Gottes Segen!!

Herzlichst Ihr /Euer
Norbert Müller, Pfr.

Pfarrer Müller Dietrich Bonhoefer